Benutzer: Gast

Der Amtsschimmel wiehert im Rütihof

Der Fall Rütihof wirft Fragen auf: Grundbesitzer können wegen der Revision der Zürcher Bau- und Zonenordnung ihre Projekte nicht mehr realisieren. Dennoch befürchten sie, die Erschliessung bezahlen zu müssen.

Wenn in einem Viertel mehrere Grundeigentümer bauen wollen, so regelt man die Erschliessung der Neubauten mit einem Quartierplan. Im Höngger Rütihofquartier am nordwestlichen Stadtrand von Zürich wurde seit 2001 am Quartierplan Hurdäcker gearbeitet, unter Federführung des Amts für Städtebau. 2012 setzte der Regierungsrat den Plan in Kraft; 2013 wurde er im Grundbuch eingetragen. Auch Grundeigentümer, die nicht bauen wollen, müssen ihren Anteil an den Erschliessungskosten tragen, was natürlich einen starken Anreiz zum Bauen schafft.

Plötzlich Makulatur
Womit die Grundeigentümer im Rütihof nicht rechnen konnten, ist, dass eine Revision der Bau- und Zonenordnung (BZO) ihren Quartierplan von einem Tag auf den anderen zu Makulatur machen würde. Mit der im Oktober 2013 publizierten und sofort geltenden BZO-Revision wurde ein Teil des Gebiets zur Kernzone erklärt – mit einschneidenden Auswirkungen. Da um die Kernzone herum auch noch eine Zone mit reduzierter Ausnützung geschaffen wurde, können nach neuer BZO etwa 22 Prozent weniger Wohnflächen realisiert werden, als es der Quartierplan vorsah. Auf einzelnen Parzellen sind es noch weniger als die Hälfte. Dies hat ein beteiligter Architekt ausgerechnet.
    Geplant waren übrigens keine Spekulationsbauten, im Gegenteil: Die Rede war beispielsweise von einem innovativen Projekt für Alterswohnungen, das sich an Höngger richtet, die ihre Einfamilienhäuser der nächsten Generation überlassen wollen. Die BZO-Revision hat das gleiche Amt für Städtebau erarbeitet, welches für den Quartierplan verantwortlich war – allerdings im Geheimen. Die betroffenen Eigentümer staunten nicht schlecht und fühlen sich an der Nase herumgeführt.
     Nun sind aber die Aufträge für die Planung der Erschliessung gemäss Quartierplan bereits vergeben, der Baustart ist für das laufende Jahr geplant. Dass es sich unter den neuen Umständen überhaupt noch lohnt, zu bauen, ist freilich in manchen Fällen zu bezweifeln. So fragen sich die Grundeigentümer, ob sie am Schluss eine Rechnung erhalten für die Erschliessung von Häusern, die gar nie gebaut werden können. Nachdem sie bereits seit dem Jahr 2001 mit einem Bauverbot – dem sogenannten Quartierplanbann – leben müssen, ist die Lage für sie nun total verfahren.

Einwendungen ohne Antwort
Noch im letzten Jahr haben etliche Grundeigentümer Einwendungen gegen die BZO eingereicht sowie in einem Revisionsbegehren einen Planungsstopp verlangt. Eine Antwort haben sie nicht erhalten. Auf die Anfrage der NZZ hin teilte die Stadt mit, die betroffenen Grundeigentümer seien «soeben» vom Vorsteher des Hochbaudepartements informiert worden, dass die Ausführungsplanung einstweilen sistiert werde. Die Einwendungen würden geprüft. Der Stadtrat beschliesse im Herbst 2014 die überarbeitete BZO und überweise sie dann dem Gemeinderat zur Beratung. Obwohl das Regelwerk heute schon seine Vorwirkung entfaltet, hat der Gemeinderat das letzte Wort.
     Für alle Bauten innerhalb der neuen Kernzone gilt ein sogenannter Volumenschutz, wie es in historischen Altstädten üblich ist. Sie dürfen zwar abgebrochen werden, ein Neubau muss aber in den genau gleichen Dimensionen geplant werden. Ausserhalb dieser Volumen darf in der Kernzone nicht gebaut werden. Allerdings handelt es sich bei den Häusern im Rütihof – neben einigen inventarisierten Objekten – um unscheinbare Bauten aus den 1950er Jahren, die kaum als schützenswert gelten dürften. Da sie verwinkelte Grundrisse haben und teilweise sehr klein sind, kommt die Umzonung einem Bauverbot gleich. Denn in dieser Volumetrie lässt sich kein vernünftiger Neubau erstellen.

Einfach vom Tisch gewischt
Der Höngger Gemeinderat Guido Trevisan (glp.) hat das Thema nun mit einer Anfrage an den Stadtrat auf die politische Agenda gesetzt. Er will wissen, ob es noch andere vergleichbare Fälle gibt. Gegenüber der NZZ sagte er, es sei stossend, dass die Stadt behaupte, sie wolle «Stadt und Quartiere gemeinsam entwickeln», wie ein Legislaturziel hiess. Nach einem Jahrzehnt kooperativer Planung habe das Hochbaudepartement das Resultat nun einfach vom Tisch gewischt. Der alte Weiler Rütihof sei teilweise zwar erhaltenswert, in der neuen Kernzone gebe es aber viele Bausünden, die nun konserviert würden.
     Auch wenn die Stadt wegen der neuen Kernzone den Bau der Strassen definitiv stoppen sollte: 13 Jahre Planung, die nicht nur viele Arbeitsstunden im Amt für Städtebau auslösten, sondern auch die Grundeigentümer und ihre Architekten beschäftigten, sind mit einem Federstrich zunichtegemacht. Die Rechnung bezahlen die Eigentümer.
     Es mag ein Einzelfall sein, aber er wirft kein gutes Licht auf die Arbeit des zuständigen Amtes. Besonders ärgerlich für die Betroffenen in der neuen Kernzone ist, dass ihre Häuser nun praktisch unter Denkmalschutz stehen. Anders als bei einem formalen Denkmalschutz-Verfahren können sie den Beschluss aber nicht gerichtlich anfechten. Eigentlich müsse man ihr Land auszonen, wenn es nicht bebaut werden dürfe, finden sie. Dann würde die Stadt entschädigungspflichtig.